Das verschwundene Grab im Hohwald

Der Wanderer, der von der Staatsstraße Steingtwolmsdorf – Neustadt bei der Bushaltestelle Hohwaldbruch zur Klinik läuft, wird das auf der Wanderkarte am Schwarzbach eingetragene Denkmal vergebens suchen. Direkt an der Brücke war bis vor einigen Jahren ein Kreuz auf einem Grab mit der Inschrift der hier im Walde beerdigten Personen zu finden. Welche Bewandtnis hatte es mit diesem Grab? Ende April 1945 war die Rote Armee bis in die Oberlausitz vorgedrungen, und die Stadt Bautzen wurde zur Festung erklärt. Das bedeutete, dass alle Zivilpersonen diese Stadt verlassen mussten. Darunter war auch das Ehepaar Berger aus Bautzen. Sie kamen zur Tochter und Enkeltochter nach Neukirch/Lausitz und als auch hier der Ort geräumt werden musste, flüchtete diese Familie zu einer Bekannten nach Hilgersdorf/Tschechoslowakei (in Grenznähe zu Hohwald). Zu dieser Familie kam der Fahrer der Heilstätte Hohwald, Herr Kurt Barthel und erzählte, dass die Großfamilie Thomas aus Neukirch/Lausitz (Gurkeneinlegerei und Sauerkrautfabrik) mit den Zugmaschinen und Hängern bis zur Heilstätte Hohwald geflohen war. Er nahm die Bergers, die mit der Familie Thomas verwandt waren, mit zur Heilstätte und brachte sie in seiner Wohnung unter. Ihnen wurde Unterkunft und Verpflegung gewährt, da an eine weitere Flucht nicht zu denken war. Am Nachmittag und Abend des 6. Mai 1945 wurde die Heilstätte Hohwald von tschechischem Gebiet aus unter schweren Artilleriebeschuss genommen. Die Einschläge lagen zirka 75 Meter vom Ärztehaus entfernt. Ein deutscher Offizier verbot, dass auf der Heilstätte die weiße Fahne und die Rotkreuzfahne gehisst wurden. Doch die Strapazen hatte Bernhard Berger (28.04.1870 - 08.05.1945) nicht überstanden und starb am 8. Mai 1945 im Alter von 75 Jahren. Auch war in der Zwischenzeit das Frauenhospital, genannt Spittel, aus Bautzen nach der Heilstätte evakuiert worden. Anna Schuster (29.03.1867 - 09.05.1945) starb am 9. Mai mit 78 Jahren. Da nun in den Kriegswirren keine Beerdigung auf einem Friedhof erfolgen konnte, wurden beide im Wald in einem gemeinsamen Grab beerdigt. Die Familie Kurt Barthel und Max Christoph sowie Patienten der Heilstätte pflegten noch jahrelang das Grab. Etwa 1995 ist es nach 50 Jahren eingeebnet worden und der Wanderer vermutet nicht, dass hier zwei alte Menschen am Ende des Zweiten Weltkrieges ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.

 

Anmerkung: Dieser Artikel wurde mir von Walter Pfützner (†) zur Verfügung gestellt. Ergänzungen im Text wurden durch Lutz Thomas Raake eingefügt. Die Fotos stellte ebenfalls Lutz Thomas Raake zur Verfügung.